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1946 – Präludium

Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde im Jahr 1946 im niedersächsischen Bad Pyrmont ein Orchester mit dem Namen Nordwestdeutsche Philharmonie (NWD) aus Musikern des ehemaligen Reichs-Bruckner-Orchesters in Linz, der Deutschen Philharmonie in Prag und weiteren freien Musikern aus den Besatzungszonen gegründet. Motoren und Organisatoren dieser Orchestergründung waren der Klarinettist Franz Hammerla, der Cellist Richard Falb und der Dirigent Walter Stöver. Zur gleichen Zeit wurde in Herford unter dem Namen Herforder Symphonisches Orchester im Auftrag des Arbeitsamtes von Kapellmeister Heinz Schlüter ein von ihm dirigierter Klangkörper mit 36 Musikern zusammengestellt.

Nach der Währungsreform 1948 entstand durch wirtschaftliche Nöte – das Land Niedersachsen zog sich 1949 zu Gunsten der Gründung des Niedersächsischen Sinfonieorchesters in Hannover aus der Finanzierung zurück – akuter Handlungsbedarf. Erste Gespräche über den Zusammenschluss der Nordwestdeutschen Philharmonie in Bad Pyrmont mit dem Städtischen Orchester Detmold oder dem Philharmonischen Orchester Bielefeld mit dem Ziel eines einzigen großen und „leistungsfähigen, für den ganzen Regierungsbezirk zuständigen Orchesters“ (Erlass der Kultusministerin Teusch vom 24. Oktober 1949) verliefen allerdings ergebnislos.

1950 (II) – schwierige Startbedingungen

Der Start für das junge Orchester war nicht leicht, es fehlten eine identitätsstiftende Tradition, eine ebensolche Spielstätte wie auch erforderliche Proben-, Büro- und Lagerräume, eine technische Mindestausstattung und natürlich Geld, um die Orchestermitglieder auf dem allgemein üblichen Niveau zu entlohnen. Maßgeblich entscheidend für den Erfolg des jungen Ensembles dürfte deshalb neben Überlebenswillen und Enthusiasmus der Umstand gewesen sein, dass in Herford viele Mitglieder ehemaliger Spitzenorchester zusammenkamen, die ein formidables künstlerisches Potential mitbrachten und somit für herausragende Gastkünstler und Dirigenten adäquate Partner waren.

1950 (I) – Die eigentliche Gründung

Im März 1950 stand eine kulturpolitische Neustrukturierung des Regierungsbezirkes Detmold im Raum: „Wenn Herford Sitz eines überörtlichen Kulturorchesters wird und auf sein Theater zu Gunsten von Detmold verzichtet, gibt es [...] eine klare Lösung mit zwei Zentren: Herford für das Orchester und Detmold für das Theater“.

Am 4. Mai 1950 wird unter dem Vorsitz von Regierungspräsident Heinrich Drake der Beschluss gefasst, in Herford ein Sinfonieorchester und in Detmold ein „Landesverbandstheater“ zu etablieren. Bereits am 18. Juli begründen die Städte Herford, Detmold, Paderborn, Lemgo, Bad Salzuflen, Bad Lippspringe und Bad Oeynhausen zusammen mit dem Landkreis Herford und dem Landesverband Lippe den Trägerverein Städtebund-Symphoniker, Sitz Herford, e.V., in dem die Nordwestdeutsche Philharmonie in Bad Pyrmont und das Herforder Symphonisches Orchester vereint wurden.

Am 10. Oktober 1950 trat der neue Klangkörper unter dem Namen Städtebund-Symphoniker mit seinem ersten Konzert im Schützenhof Herford unter der Leitung von Rolf 
Agop, dem Chefdirigenten sowohl des Pyrmonter und auch des neuen Herforder Orchesters, auf. Nachdem der alte Bad Pyrmonter Orchesterverein im September 1951 den Namen freigegeben hatte, konnten Orchester und Trägerverein den bis heute gültigen Namen Nordwestdeutsche Philharmonie übernehmen.

Die 1950er Jahre

Dem Cellisten Richard Falb, der bis 1961 die Organisation des künstlerischen Betriebes innehatte, gelang es, bereits ab 1952 regelmäßig ausgedehnte Tourneen ins europäische Ausland durchzuführen und prominente Namen wie z. B. Yehudi Menuhin, David Oistrach, Henryk Szeryng und Wilhelm Schüchter oder Hermann Scherchen auf die Plakate drucken zu lassen. Letzterer prägte das Orchester in den Jahren 1959–1960 als Chefdirigent, aber vor allem durch sein Engagement für zeitgenössische Werke und die Vorreiterrolle bei der Einführung der Stereophonie mit ersten Aufnahmen für Radio Bremen, durch die sich eine jahrzehntelange Zusammenarbeit begründen sollte. Ihm war es auch vergönnt, 1959 den neuen Herforder Konzertsaal in dem zu einer Stadthalle ertüchtigten Schützenhof – seitdem als Stadtpark Schützenhof bezeichnet – einzuweihen; dem Orchester, das bisher in einem Seitenflügel der Herforder Markthalle probte, konnte nun in einem eigenen Anbau ein kleines Büro und ein Probenraum zur Verfügung gestellt werden.

Rund 70 bis 80 Unterhaltungskonzerte pro Saison hatte das Orchester über die abendlichen Sinfoniekonzerte hinaus bis Mitte der 1970er Jahre im prosperierenden Kurbad Salzuflen zu absolvieren und durch die wieder aufblühende Chorarbeit wurde die Begleitung der regionalen Oratorienchöre eine wichtige Aufgabe. Gereist wurde im Bus mit einem Anhänger an Stelle eines Instrumentenwagens – die Rüstzeiten am Aufführungsort geduldig abzuwarten galt es für die Orchestermitglieder noch bis Mitte der 1960er Jahre. Außer den Chefdirigenten Rolf Agop, Wilhelm Schüchter und Hermann Scherchen sind die vertraglich gebundenen Dirigenten des ersten Jahrzehnts Heinz Schlüter, Eugen Pabst, Albert Grünes und Kurt Brass zu nennen.

Neben einer umfänglichen Konzerttätigkeit waren Produktionen für Rundfunkanstalten und Schallplattenindustrie von Anbeginn ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit der Nordwestdeutschen Philharmonie. Der Livemitschnitt aus dem Herforder Schützenhof 1952 war der Startschuss für die Zusammenarbeit mit dem damaligen Nordwestdeutschen Rundfunk, ein Vertrag mit der Schallplattenfirma Electrola ermöglichte von 1954 bis 1960 die Einspielung von – vornehmlich unter Wilhelm Schüchters Leitung – über 200 Schallplatten mit sinfonischen Werken u. a. von Beethoven, Tschaikowsky, Mozart, Haydn und Schubert.

1959 – Beginn der Rundfunkaufnahmen mit dem WDR und Radio Bremen

Ende der 1950er Jahre begannen der Westdeutsche Rundfunk und Radio Bremen mit regelmäßigen Rundfunkproduktionen. Rund 2000 Einspielungen entstanden allein für den WDR; von den Dirigenten der ersten Jahre sind Wilhelm Schüchter, Hermann Scherchen, Franz Allers und Richard Kraus hervorzuheben, später sind es Werner Andreas Albert und János Kulka, deren Namen noch heute regelmäßig in den Programmankündigungen von WDR3 zu hören sind. Daneben entstanden in Koproduktion mit dem Kölner Sender zahlreiche CD-Einspielungen, von denen die Gesamteinspielung des sinfonischen Werkes Erich Wolfgang Korngolds unter der Leitung von Werner Andreas Albert durch die Verleihung des „Mensa Award“ (USA) besondere Beachtung erhalten hat. Darüber hinaus sind seit 1959 etwa 600 Einspielungen für Radio Bremen entstanden, wobei hier neben Hermann Scherchen vor allem Klaus Bernbacher zu nennen ist, der von 1962 bis zum Ende der Zusammenarbeit im Jahr 1996 allein rund 500 Aufnahmen geleitet hat.

1961 – Gebhard Redlin wird Geschäftsführer

Gebhard Redlin, 2. Oboist der Nordwestdeutschen Philharmonie, übernahm 1961 nach dem Ausscheiden von Richard Falb zunächst interimistisch und ab 1965 hauptamtlich die Geschäfte des Orchesters.

Ab 1964 konnte die Vergütung an das damalige Tarifwerk TOK angeglichen werden, 1965 verbesserten sich die Arbeitsbedingungen durch die Anschaffung eines eigenen Instrumentenwagens.

1963 – Chefdirigent Richard Kraus

begann die Ära Richard Kraus, der den Chefdirigentenstab von Hermann Hildebrand übernahm und das Orchester bis 1969 entscheidend prägte. Er wurde dabei von Werner Andreas Albert, zunächst 1. Kapellmeister und 1969–1971 sein Nachfolger als künstlerischer Leiter, unterstützt. Die NWD bereiste in diesem Jahr mit der durch VW unterstützten Wolfsburger Chorgemeinschaft Holland und Belgien.

1964
nahm der WDR mit einer fünftägigen Produktion unter Franz Marszalek sein Engagement im Programmbereich der Unterhaltenden Musik in der im Vorjahr eingeweihten neuen Konzerthalle in Bad Salzuflen auf, aus dem sich eine enge Zusammenarbeit über 25 Jahre entwickelte.

Die 1960er Jahre - Konzertreisen

1966 führten Konzertreisen ins Amsterdamer Concertgebouw und zu den Weltmusikfestspielen in Kerkrade, 1967 nach Süddeutschland und Belgien. Künstlerisch prägend war die mehrjährige Zusammenarbeit mit dem gebürtigen Rumänen Edouardo Lindenberg, der für das Label Erato 1968 Dvořáks Sinfonie Aus der Neuen Welt und 1969 die vier Sinfonien von Johannes Brahms einspielte. Bei einem Konzert mit der 1. Sinfonie von Brahms in der Berliner Philharmonie erhielten Lindenberg und auch das Orchester 1970 durchweg hervorragende Rezensionen; im selben Jahr führte eine Konzertreise mit der Wolfsburger Chorgemeinschaft nach Kopenhagen.

1972 – Podium junger Solisten

Aus der Zusammenarbeit von Radio Bremen, insbesondere mit dessen Hauptabteilungsleiter Klaus Bernbacher, dem Staatsbad Salzuflen und dem Deutschen Musikrat entstand 1972 die jährlich durchgeführte Konzertreihe Podium Junger Solisten, die in 6 Konzerten in der Konzerthalle Bad Salzuflen für viele Preisträger und Stipendiaten des Deutschen Musikwettbewerbes – beispielhaft seien hier Namen wie Wolfram Christ, Isabelle Faust, Justus Frantz, Alban Gerhardt, Ulf Hölscher, Sabine und Wolfgang Meyer, Thomas Quasthoff oder Julian Steckel genannt – den Startpunkt für eine internationale Karriere bedeutete. Diese Konzertreihe wurde 1989 zwar auf 4 Konzerte reduziert, konnte aber erfolgreich bis in das Jahr 2003 weitergeführt werden und ermöglichte der Nordwestdeutschen Philharmonie die Zusammenarbeit mit der Elite der jungen Solisten. Zu einer weiteren Profilierung führte das engagierte Eintreten der Beteiligten für die Einspielung und Aufführung zeitgenössischer Kompositionen, letzteres nicht nur in den Programmen der Abonnementkonzerte, sondern auch im Rahmen von Festivals wie z. B. Tage der Neuen Musik in Hannover.

Die 1970er Jahre

1971 leitete Heinz Geese, langjähriger Leiter des Großen Unterhaltungsorchesters des WDR, sein erstes Kurkonzert in Bad Salzuflen, das den Beginn einer jahrzehntelangen, intensiven und immer harmonischen Verbindung markierte. Die Durchführung von Kurkonzerten – erst 1974 wurde die Zahl der täglich zu absolvierenden Kurkonzerte auf maximal zwei reduziert – war neben den sinfonischen Unterhaltungskonzerten nach wie vor fester Bestandteil des Kurbadprofils und somit auch des Dienstplanes der NWD. Im selben Jahr wurde der rumänische Dirigent Erich Bergel zum Chefdirigenten ernannt, der mit dem Orchester zwar große künstlerische Erfolge erzielte, mit dem die Zusammenarbeit aber wegen unüberbrückbarer Spannungen bereits 1974 wieder endete. Ihm folgte von 1975 bis 1987 der ungarische Opernspezialist und langjährige Wuppertaler GMD János Kulka nach, der gleichzeitig noch als Staatskapellmeister in Stuttgart tätig war.

Der Westdeutsche Rundfunk verfolgte ab den 1970er Jahren die Regionalisierung seines Programmangebotes und positionierte sich 1974 in Ostwestfalen-Lippe mit dem Festival Tage der unterhaltenden Musik und setzte damit auch einen Höhepunkt in der Zusammenarbeit mit dem Staatsbad Salzuflen. Bekannte Protagonisten dieses Genres waren neben den Dirigenten Richard Müller-Lampertz, Franz Maszalek und Heinz Geese sowie später auch der WDR-Redakteur und Moderator Dirk Schortemeier, populäre Stars der Unterhaltungsszene wie u.v.a. Ivan Rebroff, Rita Streich, Heinz Hoppe, Peter Kreuder, Ilse Werner, Willy Schneider und Günter Wewel.

1977 trat das Orchester mit János Kulka im Rahmen einer Tournee nach Süddeutschland, in die Schweiz und nach Österreich wieder einmal im Großen Festspielhaus in Salzburg auf.

1979 führte eine Vier-Länder-Tournee, wieder mit Kulka und u. a. dem Pianisten Bruno Leonardo Gelber, über einige Stationen in Süddeutschland nach Dornbirn, Biel und Colmar, für die das Orchester viel Anerkennung der jeweils lokalen wie auch der heimischen Presse erhielt.

Die 1980er Jahre

Der Große Musikvereinssaal in Wien und der Carinthische Sommer in Villach waren markante Ziele einer weiteren Tournee im Jahr 1985. Die Hauptwerke waren die 1. Sinfonie von Anton Bruckner, dirigiert von János Kulka und die 2. Sinfonie von Johannes Brahms, die von seinem designierten Nachfolger, dem jungen Waliser Alun Francis geleitet wurde. Mit Francis betrat ein Vertreter einer neuen Dirigentengeneration die Bühne, in der man sich nicht mehr als autokratischer Orchesterleiter verstand. Dieses entsprach auch dem Selbstverständnis einer neuen und selbstbewussten Musikergeneration, deren Anliegen neben künstlerischer Ambition auch zeitgemäße Arbeitsbedingungen war. Neue tarif- und arbeitsrechtliche Vereinbarungen schafften zwar kompliziertere Dispositionsvoraussetzungen für die Orchesterleitung, aber mit vereinten Kräften konnte 1986 auch ein Baubeschluss für ein neues Probenstudio als Ersatz für den bisherigen, von der Berufsgenossenschaft nicht mehr akzeptierten Probenraum erreicht werden.

Im Februar 1989 wurde das neue Probenstudio feierlich eingeweiht; dieses eröffnete dem Orchester gute Bedingungen für die künstlerische Arbeit, zudem konnten im ehemaligen Probenraum erstmalig auch ein Sozialraum und ein Instrumentenlager eingerichtet werden. Im Frühsommer führte eine Tournee das Orchester erneut nach Süddeutschland, in die Schweiz und nach Österreich; zum Jahresende ermöglichte eine Budgetaufstockung, die in den 1980er Jahren aus finanziellen Gründen nicht besetzten Planstellen wieder zu aktivieren.

Die 1990er Jahre

Am 1. Juli 1990 übernahm Holger Kruppe als Orchesterintendant die Geschäftsführung des Orchesters. Eine seiner ersten Aufgaben war es, einen Nachfolger für Alun Francis zu finden, der 1991 die Beschaulichkeit Herfords gegen das Berliner Großstadtflair tauschte. Die Öffnung in den Ost-West-Beziehungen rückte mit Michail Jurowski einen gestandenen russischen Dirigenten in den Fokus, der 1992 einen Vertrag als Generalmusikdirektor unterschrieb. Den künstlerischen Schwerpunkt legte dieser auf Werke der klassischen Moderne, insbesondere lag ihm das Schaffen Dmitri Schostakowitschs am Herzen. Unter seiner Leitung entstand in Kooperation mit dem WDR 1993 im Herforder Schützenhof die Einspielung des von Krzystof Meyer vervollständigten Opernfragments Die Spieler mit prominenten russischen Solisten des Bolschoi-Theaters in der Originalsprache. Nicht zu vergessen ist auch die Uraufführung des Jüdischen Requiems von Mikhail Bronner am 2. November 1994 in Paderborn, das er zum Gedenken an die Progrome des Jahres 1938 u. a. auch am 9. November im Berliner Konzerthaus dirigierte.

1996 endete die Zusammenarbeit mit Radio Bremen, wodurch erneut Kapazitäten im Orchester freigesetzt wurden und weitere Möglichkeiten entstanden, sich über die bisherige Konzerttätigkeit hinaus auf dem Konzertmarkt zu bewegen. Beispielhaft seien hier die Open-Air-Konzerte mit den Tenören Plácido Domingo, Luciano Pavarotti und José Carreras sowie Tourneen mit den Sopranistinnen Montserrat Caballé und Lucia Aliberti genannt.

1997
gab es im Rahmen eines Orchesteraustausches mit dem Aarhus Symfonieorkest eine Tournee nach Dänemark, 1999 führte eine erste Überseereise nach Japan.

1998 trat Toshiyuki Kamioka die Nachfolge von Michail Jurowski an.

Die 2000er Jahre – Pfingstfestival, Wagner-Opern und Tourneen

Im Jahr 2000 übernahm Andreas Kuntze die Intendanz der Nordwestdeutschen Philharmonie.

2002 hob die Nordwestdeutsche Philharmonie mit Klassik zu Pfingsten ein eigenes Festival in der Konzerthalle Bad Salzuflen aus der Taufe, außerdem wurde mit der Gründung der Gemeinschaftsstiftung Nordwestdeutsche Philharmonie ein wichtiges Förderinstrument geschaffen. Ebenfalls in diesem Jahr begann die regelmäßige Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Frank Beermann, dem Klassiksommer Hamm und dem Richard Wagner Verband Minden, zu dessen 90. Jubiläum in Kooperation mit dem Mindener Stadttheater Der Fliegende Holländer von Richard Wagner inszeniert wurde. Es folgten Wagners Tannhäuser (2005), Lohengrin (2009), Tristan und Isolde (2012).

2015
begann mit Das Rheingold die vielbeachtete Produktion der Operntetralogie Der des Nibelungen, die jährlich fortgeführt und 2019 mit zwei Aufführungen des gesamten Zyklus‘ abgeschlossen wurde.

Unter der Ägide von Toshiyuki Kamioka (1998-2006) wurde das Orchester stark verjüngt – über 30 Musikerstellen wurden neu besetzt – und künstlerisch weiter vorangebracht.

Tourneen führten das Orchester 2002 nach Frankreich, in den Folgejahren mehrfach nach Spanien, Österreich, Belgien und in die Schweiz, 2008 erneut nach Japan, 2005 und 2012 in die USA und regelmäßig nach Italien und Holland. Livemitschnitte aus dem Amsterdamer Concertgebouw (2004), der Mechanics Hall in Worcester (USA, 2005), dem Auditorio de Zaragoza (2006) und dem Palau de Musica in Valencia (2011) liegen als CD-Veröffentlichungen vor.

2006 bis 2009 – ein neuer Stern am Dirigentenhimmel: Andris Nelsons

2006 leitete der erst 27-jährige Andris Nelsons sein erstes Konzert als Chefdirigent mit Schuberts Unvollendeter und Gustav Mahlers erster Sinfonie – und elektrisierte das Publikum auf Anhieb. Unter seiner Leitung wurden Werke des Kernrepertoires neu erarbeitet: Beethoven, Brahms, Tschaikowsky und zum Schluss Mahlers vierte und fünfte Sinfonie. In insgesamt fünfzehn Abonnementserien begeisterte der große Motivator und Ausdrucksmusiker Orchester und Publikum immer wieder aufs Neue. Daneben leitete er auch Sonderkonzerte, etwa ein reines Wagner-Programm und Tourneen, z. B. in die Schweiz und nach Mailand.

2008 wurde er zusätzlich Chefdirigent des City of Birmingham Symphony Orchestra. Seit 2014 ist er Chefdirigent beim Boston Symphony Orchestra, seit 2018 auch beim Gewandhausorchester Leipzig und dirigiert regelmäßig in den weltweit bedeutenden Musikzentren.

Die 2010er Jahre – ein fleißiges Orchester

Als Chefdirigent folgte auf Andris Nelsons im August 2010 der junge Amerikaner Eugene Tzigane, im Oktober leitete Antony Hermus mit Johan Wagenaars Sinfonietta die vorerst letzte und bei dem Label CPO als CD erschienene Produktion für den Westdeutschen Rundfunk, der sich in einer Kulturpartnerschaft mit den nordrhein-westfälischen Klangkörpern seither auf Livemitschnitte von Konzerten im Sendegebiet konzentriert. Nahm die Arbeit vor dem Mikrophon über viele Jahrzehnte gut ein Viertel des jährlichen Arbeitspensums ein, so konnten (und mussten) die entstandenen Freiräume nur durch eine gesteigerte Konzerttätigkeit geschlossen werden. Die Zahl der jährlich durchgeführten Sinfoniekonzerte hat sich auf durchschnittlich etwa 130 mit rund 50 unterschiedlichen Programmen erhöht und platziert die NWD damit im internationalen Vergleich an exponierter Position; zusätzlich nimmt das Orchester mit 35–40 jährlichen Konzerten für Kinder und Heranwachsende seinen regionalen Bildungsauftrag sehr ernst, erweitert u. a. mit Open-Air-Formaten wie den sehr nachgefragten Landluftkonzerten in ländlicher Idylle oder dem Klassik Open Air auf dem Mindener Domhof das angesprochene Publikum. Zudem gibt die NWD seit fast 25 Jahren mit Philharmonic Open einer wachsenden Zahl begeisterter Hobbyinstrumentalisten Gelegenheit, mit den NWD-Profis in einem großen Sinfonieorchester gemeinsam zu musizieren.

2015 wurde auf einstimmigen Wunsch des Orchesters der Frankokanadier Yves Abel zum Chefdirigenten berufen. Abel, ein franko-kanadischer Weltbürger, setzte seine Programmschwerpunkte vor allem im französischen Repertoire und leitete das Orchester mehrfach auf Konzertreisen ins europäische Ausland.

Die 2020er Jahre – Aufbruch ins Ungewisse

Das Jahr 2020 wird durch den Ausbruch der Corona-Pandemie als Meilenstein in die Weltgeschichte eingehen, mit Auswirkungen auf das gesamte gesellschaftliche Leben, auf den Kulturbetrieb und damit auch auf die NWD und ihr Publikum. Vor dem ersten Lockdown im März 2020 gab die NWD noch Konzerte in Amsterdam und Antwerpen unter der Leitung von Jonathon Heyward, damals schon designierter Chefdirigent (er ist seit Januar 2021 im Amt). Dann folgten fünf Monate öffentliches Schweigen, ab August wieder für zweieinhalb Monate Konzerte vor halbiertem Publikum – die Konzerte dann zweimal wiederholt. Ab November 2020 erfolgte dann wegen der zweiten Infektionswelle ein weiterer, längerer Lockdown in dessen Zeitspanne dann der Abschied von Yves Abel als Chefdirigent fiel. Sein finales Konzert produzierte die NWD als Videoaufzeichnung ohne Publikum, zum Abrufen im Internet (Streaming).

Seit Januar 2021 ist Jonathon Heyward als Chefdirigent im Amt. Durch das Andauern der Corona-Pandemie verzögerte sich sein Start auf den OWL-Konzertpodien jedoch. Zunächst entstand im Mai 2021 ein Digitales Einstands-Videokonzert in Verbindung mit einer CD-Produktion (darauf Werke von Strawinsky, Elgar und Haydn). Seit August 2021ist er nun auch live zu erleben und hat Publikum und Orchester schnell durch überzeugende und kraftvolle Interpretationen und außerordentliche Bühnenpräsenz in seinen Bann gezogen.

Steckbrief

Standort
Sitz in Herford, Regierungsbezirk Detmold.

Region Ostwestfalen-Lippe
Ca. 2.100.000 Einwohner, wirtschaftlich gesunder Standort mit vergleichsweise niedriger Arbeitslosigkeit, überwiegend mittelständische Wirtschaftsbetriebe.

Träger
Nordwestdeutsche Philharmonie e. V.

Vollmitglieder des Trägervereins sind Kommunen der Region Ostwestfalen-Lippe,
Zuschüsse gewähren das Land Nordrhein-Westfalen und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe.

Personalstärke
78 Planstellen Musiker
6 Planstellen Verwaltung
2 Planstellen Orchesterwarte/Technik

Förderer
Gemeinschaftsstiftung Nordwestdeutsche Philharmonie und NWD-Freunde e.V.
mit dem Ziel der alleinigen Förderung der Nordwestdeutschen Philharmonie zur Qualitätssicherung und Verwirklichung besonderer künstlerischer Projekte.

Philharmonische Gesellschaft Ostwestfalen-Lippe (im Rahmen von Projektförderungen)

Standort
Sitz in Herford, Regierungsbezirk Detmold.

Aktivitäten
ca. 130 Sinfoniekonzerte im Jahr,
davon ca. 80% in Ostwestfalen-Lippe,
ca. 10% im übrigen Nordrhein-Westfalen,
ca. 10% im Rahmen von Deutschland- und Auslandstourneen.

Regelmäßige Produktionen für die Tonträgerindustrie.

Regelmäßige CD-Produktionen, z. Zt. liegen ca. 40 Einspielungen vor, in der über 60jährigen Geschichte des Orchesters wurden ca. 200 LPs produziert.

In jeder Spielzeit werden in der Region ca. 25-30 Konzerte für Schüler der Grundschulen und 8-10 Konzerte der Sekundarstufen durchgeführt, in denen jährlich ca. 18.000 Schülerinnen und Schüler erreicht werden, zusätzlich 30–35 Konzerte zur Instrumen­tenkunde von Kammerensembles in den Schulen vor Ort sowie Familienkonzerte.

Öffnung der Proben für Besucher, Schulklassen, Lehrerseminare, Dirigierklassen etc.

Förderung der Laienmusikarbeit durch Projekte wie „philharmonic open“ und Begleitungen von leistungsfähigen Chören der Region.

In der Rolle eines kulturellen Botschafters werden für die Region Ostwestfalen-Lippe regelmäßige Auslandstourneen durchgeführt, mit denen eine internationale Konkurrenzfähigkeit unter Beweis gestellt wird: